Ich war vier oder fünf Jahre alt: In unserem Wohnzimmer plante ich ein Gehege für mein Reh,
und versteckt hinter dem Plattenspieler war mein eigenes kleines Reich.
Ein paar Jahre später verstand ich intuitiv, warum meine kleine Schwester, mit der ich das Zimmer teilte, nie in ihrem Bett schlafen wollte.
In meinen Jugendjahren faszinierte es mich zu erleben, wie aus einem verschachtelten, alten Bauwerk ein großzügiges, offenes Zuhause wurde.
Und wenn ich als junge Frau unterwegs war, stellte ich mir vor, die Häuser entlang der Straße freundlicher, einladender zu gestalten, oder plante beim Joggen meine ganz persönlichen Luftschlösser.

Später lernte ich die Herausforderungen eines gemeinsamen Familienlebens ebenso wie die Anstrengungen als Alleinerzieherin zweier Kinder kennen – das alles sowohl in einer sehr beengten als auch in einer großen Altbauwohnung mit Garten.

Als Lektorin habe ich viel allein zu Hause und auch in Büros im Team gearbeitet. Während es im Homeoffice schwierig war, Arbeit und Freizeit zu trennen, konnte ich im Großraumbüro durch die ständige Ablenkung oft nicht so konzentriert arbeiten.

Nach vielen turbulenten Jahren verlor die Medienbranche ihre Anziehungskraft für mich. Im Zuge einer Kündigung 2014 bekam ich die Möglichkeit, mich neu zu orientieren. Ich erinnerte mich sofort an meine alte Liebe zur Architektur. Und auch daran, dass ich aufgrund meines Interesses an psychologischen Themen schon als junge Mutter eine Seminarreihe zur Verbesserung der Beziehungen in der Familie besucht hatte.

Ich sehnte mich danach, mich mit diesen Themen intensiver auseinanderzusetzen, sie vielleicht sogar verbinden zu können.

Mir wurde bewusst, dass ich seit jeher als empathisch wahrgenommen wurde und in all den Jahren schon oft Ansprechperson in Krisensituationen in meinem Bekanntenkreis gewesen war. Und wenn Freundinnen nicht recht wussten, wie sie einen Wohnraum befriedigend einrichten oder gemütlich gestalten konnten, wandten sie sich auch gern an mich.

Eigentlich erforschte ich immer schon die Persönlichkeit und ihre Beziehung zum Lebensraum bzw. wie man durch die Wohnraumgestaltung sein Wohlbefinden verbessern konnte.

Heute wundere ich mich nicht mehr darüber, dass ich genau zu diesem Zeitpunkt der Neuorientierung auf eine bevorstehende Lesung meiner späteren Mentoren und Ausbilder aufmerksam gemacht wurde – mein Fokus war offenbar bereits „auf Schiene“. Bei ihrer Buchvorstellung erzählten die Institutsleiter Helga Gumplmaier (Soziologin, psychologische Beraterin) und Helmuth Seidl (Architekt und Gestaltpädagoge) dann tatsächlich davon, wie hilfreich die Verschmelzung der zwei Zugänge in der Lebensberatung wirkt. Für mich war es zum einen die Bestätigung, dass gutes Leben sich im guten Wohnen entwickelt. Zum anderen stand mir in diesem Augenblick mein neues Berufsziel klar vor Augen.