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Magnetwand

Der Lebensraum-Blog

Wohnen fasziniert mich, seit ich denken kann. Ständig fällt mir etwas auf, das mich staunend macht – in Wohnungen, in Gebäuden, im öffentlichen Raum. Wir leben und entfalten uns im Raum, ohne den Raum um uns herum ist Leben und Handeln gar nicht denkbar. 

Unser Lebensraum prägt uns von frühester Kindheit an, und später denken wir vielleicht, dass Leben (und Wohnen) nur so möglich ist, wie wir es „daheim“ gelernt haben – egal ob es uns heute noch glücklich macht oder nicht. Oder wir wollen genau so nicht mehr wohnen und suchen ganz anders geartete Wohnumgebungen. Oder wir ziehen mit einem geliebten Menschen zusammen, der/die ganz fremde
„Ge-Wohn-heiten“ mitbringt.

Und schon können Konfliktherde entstehen. 

Wie können wir diese Konflikte auflösen? Indem wir zuerst einmal (an)erkennen, dass wir alle verschieden sind. Aus dieser einfachen Beobachtung können sich aufschlussreiche Gespräche entwickeln über die Art, wie wir aufgewachsen und geworden sind – wo also die Ursprünge unserer Verhaltensweisen und Vorlieben liegen. So kann schließlich Verständnis und Akzeptanz im gemeinsamen Leben und Wohnen entstehen.

Das sind auch die Momente, in denen uns die Wirkmächtigkeit des umgebenden Raums oft erstmals so richtig bewusst wird.
An dieser Stelle werde ich immer wieder meine Beobachtungen, Gedanken und Empfindungen im Zusammenhang mit allem, was im weitesten Sinne Raum, Wohnen und Leben betrifft, mit dir teilen.
Außerdem werde ich dir hin und wieder Bücher und Texte über das Leben im Raum vorstellen, die mich beeindruckt haben und die ich dir gerne ans Herz lege ...

Viel Freude beim Lesen, deine Angela Stefan

 

wohnen

Wohnen als menschliche Grundbedingung

Im Zuge meiner Ausbildungen habe ich viel über Wohnen und das menschliche Leben im Raum gelesen. Besonders beeindruckt hat mich der „Philosoph des Wohnens“, Otto Bollnow. Von seinen sehr grundlegenden Gedanken über Raum, Mensch und Wohnen möchte ich Dir heute kurz erzählen.

Merkmale des Hauses – Sicherheit

Bollnow, der sich u. a. in seinem 1963 erschienen Buch Mensch und Raum mit den Bedingungen des menschlichen Lebens im Raum beschäftigte, zeigte, dass menschliche Raumkonzepte ursprünglich eng verknüpft waren mit dem Besiedeln einer Gegend, die „geräumt“ wurde, um eine Siedlung anzulegen. Diese bot Schutz und Sicherheit für die Menschen, die dort zusammenlebten. Die Wohnhöhle und später das gebaute Haus (heutzutage auch die Wohnung) war und ist für den Menschen das „Zentrum der Welt“. Es ist die private Domäne, in die er sich zurückzieht. Im Haus verrichtete der Mensch das alltägliche Werk, deshalb wurde es bald strukturiert entsprechend den menschlichen Arbeiten.

Öffnungen – Türen und Fenster

Das Haus hat Öffnungen nach außen: einerseits Fenster, die Licht hereinlassen und gleichzeitig zur Beobachtung des Außen dienen; Fenster gelten noch heute als die „Augen des Hauses“. Andererseits hat das Haus Türen, die Schutz vor unwirtlichen Bedingungen und Eindringlingen bieten. Außerdem verlässt der Mensch durch die Tür den sicheren Ort, wandelt auf allerlei Pfaden und Wegen entsprechend den Aufgaben, die er/sie draußen hat – und kommt wieder hierher zurück, um die Nacht im Schutz des Hauses zu verbringen (selbst wenn es im Laufe der Geschichte vorübergehend die Herberge oder das Hotelzimmer etc. wurde).

So ist der Mensch von Anfang an ein Wohnender und ein Wanderer.

Ausschließen und Einladen

Wen er hereinlässt in sein Haus (seine Wohnung), entscheidet nicht nur der frühe Mensch nach sozialen und Sicherheitskriterien: Er unterscheidet in Freunde und Fremde, die er hereinlässt oder ausschließt, zu welchem Zweck sich Schlösser, Schlüssel und die Hausschwelle entwickelt haben. Die Schwelle ist ein visuelles Symbol dafür, dass Menschen, die sich nähern, nun eine Grenze vom öffentlichen zum privaten Raum überschreiten. Ihnen ist aus Erfahrung und Lernen bewusst, dass sie sich nun den Regeln der Hausgemeinschaft unterwerfen müssen. Aber auch Gastrecht und Gastfreundschaft sind Werte, die sich im Laufe der Zeit in Gesellschaften ausgebildet haben.

Das Bett – sicherer Rückzugsort

Besondere Bedeutung als wichtigstes Zentrum und intimster Ort des Hauses räumt Bollnow dem Bett ein. Das Bett ist immer der Ausgangspunkt für die Hinbewegung zur Arbeit (im Außen) sowie der Platz, zu dem man zurückkehrt, um sich zu regenerieren.

Die Aspekte Ausgangs- und Rückzugspunkt sind auch im Sinne des menschlichen Lebenszyklus zu sehen: Der Mensch wird im Bett geboren und stirbt im Bett. Es ist zusammen mit dem Haus der Fixpunkt seiner alltäglichen Existenz, der ihn wesentlich bestimmt in seinen alltäglichen Handlungen und ihm Sicherheit gibt für seine Verrichtungen im Außen. 

Zu aller Anfang ist der Mensch im Raum geborgen

Zum Thema Wohnender und Wanderer stellt sich Bollnow gegen die Philosophie der Existenzialisten, die den Menschen allem voran in seiner Einsamkeit und seinem Ausgesetztsein begriffen, als einen „in die Welt Geworfenen“. Dem setzt er das tröstliche und erhellende Bild entgegen, dass der Mensch zuvor „in die Krippe des Hauses gelegt“ ist, wodurch Bollnow als wichtiger „Philosoph des Wohnens“ den prinzipiell schützenden Aspekt des Raums hervorhebt.

Indem Bollnow weit zurückgeht in die Vorgeschichte, vermittelt er uns ein Gefühl dafür, wie tiefgreifend und mächtig das Erleben von Raum für uns, auch heutige, Menschen wirkt – auch wenn es uns üblicherweise keineswegs bewusst ist. Wohnen ist demnach eine „grundlegende Bedingung des Menschen“. Und sogar: Das Gefühl von Sicherheit, das wir durch das Wohnen erlangen, nennt er eine Grundbedingung für die Selbstidentifikation des Menschen.

Wohnen bedeutet zu Hause sein. Als Wohnender findet der Mensch sein eigenes Wesen und ist im vollen Sinne Mensch. Anders, moderner gesagt: Die Zufriedenheit mit dem eigenen Wohnen hat auch großen Einfluss auf die Lebensqualität.

Es sind solche überzeugenden Gedanken und Erkenntnisse, angereichert mit meinen eigenen Erfahrungen und Folgerungen, die mich in so anhaltende Begeisterung für das Thema Wohnen versetzen. Und das Wissen weitergeben zu können macht mir große Freude. Besonders wenn ich Menschen damit helfen kann, ihr Zuhause so einzurichten bzw. zu strukturieren, dass sie sich dort richtig wohl und ausgeglichen, kreativ und dynamisch fühlen.

 Deine Angela Stefan

 

arbeiten

Arbeiten und Schlafen

Zu meiner Berufung, der Lebensraumberatung, kam ich in mehreren Stufen. Besonders ist mir ein ausschlaggebendes Erlebnis Mitte der 2000er Jahre in Erinnerung. Es geht um mein damaliges Lebensgefühl in der Wohnung, in der ich noch immer lebe ...

Den Arbeitsbereich einrichten

Ich war bereits seit einigen Jahren alleinerziehende Mutter zweier Volksschulkinder, Lektorin für Zeitschriftenverlage und in dieser Funktion viel zu Hause am Computer tätig, der Begriff Homeoffice war damals noch keineswegs in aller Munde. Wenn die Abgabetermine wieder einmal kollidierten, saß ich mitunter wesentlich mehr als acht Stunden an den Texten und Layouts. Nachmittags wollte und musste ich auch immer wieder für die Kinder und ihre Bedürfnisse da sein, und da wir eine musikalische Familie sind, führte ich zum Beispiel meinen Sohn zum Trommelunterricht in den Nachbarort und meine Tochter zum Klavierkurs … das führte aber dazu, dass ich immer wieder noch spät abends oder bis in die Nacht hinein am Computer arbeitete. – In meinem Arbeitszimmer, das gleichzeitig mein Schlafzimmer war. Jedes Kind hatte zwar sein eigenes Zimmer, das Wohnzimmer und der offene Essbereich neben der Küche waren „natürlich“ da für: Essen, ob in der Familie oder mit Gästen und Freunden, Zusammensitzen, Fernschauen, Musikmachen. Das wars. Für meinen Arbeitsplatz gab es kein Extrazimmer. Da das Schlafzimmer recht groß war, hatte ich meinen Schreibtisch und die Regale kurzerhand dorthin gestellt. 

Berufstätiger Tagesablauf

In den heftigeren Arbeitsphasen kurz vor Abgabeterminen sah mein Tag so ungefähr aus: Übernächtig aufstehen – mit Blick auf den Computer –, schnelles Frühstück, Kinder aus dem Haus, arbeiten, kleine Hausarbeits„pausen“, Kinder kommen heim, schnell was kochen, Kinder spielen, machen Hausübung, brauchen was von mir, Zeit mit ihnen verbringen, arbeiten, nötigste Garten- und Hausarbeit erledigen, Abendessen, vllt. etwas gemeinsam spielen, Küche aufräumen, weiter arbeiten am Computer, Kinder (meist unwillig) ins Bett bringen, noch arbeiten, bis mir die Augen fast zufallen oder alle Tasks erledigt sind. Endlich, immer wieder erst nach Mitternacht, völlig erledigt ins Bad, Zähne putzen und – wieder ins Arbeitszimmer – bzw. Schlafzimmer – kriechen. Und dort lege ich mich nieder, mit Blick auf den Computer und all den unaufgearbeiteten Gedanken und Gefühlen im Kopf und Bauch.
Obwohl ich damals chronisch übermüdet war, schlief ich schlecht und unruhig und wachte morgens vom Wecker angeschrien wie gerädert auf.

Die Wohnzuhörerin

Als sich dieser belastende Zustand schon kaum mehr aufrechterhalten ließ, bekam ich einmal Besuch von der Mutter eines Schulfreundes meines Sohnes. Sie war Architektin und eine sehr beeindruckende Frau und Gesprächspartnerin. Sie hatte in den 90ern als eine der Ersten eine Ausbildung zur Lebensberaterin gemacht, weil sie ihre Kunden besser verstehen und bedürfnisorientiert planen wollte.

Ich erzählte ihr – ganz unabhängig von meinem Stress und den gesundheitlichen Problemen –, dass meine Wohnung zwar flächenmäßig groß war, aber leider trotzdem ein Zimmer zu wenig hatte.

Als Lebensberaterin und somit geschulte Zuhörerin und durch treffende Fragen kitzelte sie so einige bisher unhinterfragte Vorstellungen aus mir heraus. Zum Beispiel fragte sie mich, ob meine Gäste wirklich ein Esszimmer UND ein Wohnzimmer bräuchten, um sich bei mir wohlzufühlen, und ob wir denn tatsächlich „nach dem Dinner in den Salon wechselten“. Humorvoll, ein wenig provokant – so ermöglichte sie mir ein echtes Aha-Erlebnis: Ich hatte, wie so viele Menschen, aus der Familientradition einfach die Vorstellung übernommen, dass „man“ ein Wohnzimmer braucht – für Gäste und zur Erholung. 

Indem sie mir auf ihre freundlich-humorvolle Art eine Außensicht nahebrachte, konnte ich mich selbst und meine verfahrene Situation auch einmal von einer unernsten, lustigen Warte betrachten, und das brachte mir die innere Freiheit, neue Sichtweisen und schließlich Lösungsmöglichkeiten ins Auge zu fassen.

Es tat mir also eindeutig nicht gut, im gleichen Raum zu arbeiten und zu schlafen, besonders wenn die Arbeit so überbordend viel Raum einnahm. „Viel Raum einnehmen“ – die Phrase ist tatsächlich ein sehr passendes sprachliches Bild für meine damalige Lebenssituation! Wie konnte ich in dieser Konstellation noch Abstand von der Arbeit (Existenzsicherung) gewinnen und Energie durchs Schlafen ziehen?

Aber ich steckte eben mitten in diesem Leben und hatte noch viel zu wenig Abstand zu mir selbst und meinen Vorstellungen von richtig und falsch, um zu erkennen, was ich ändern, verbessern könnte.

Ohne mich in eine Richtung zu drängen, gab sie mir einerseits ein paar Ideen mit auf den Weg und ließ mir andererseits die Zeit, selbst und mit mehr Distanz auf mein Wohnthema zu schauen.

Die zündende Wohn-Idee und -Lösung

Rasch fand sich die für meine damaligen Bedürfnisse ideale Idee: Ich deutete das Wohnzimmer zum rein persönlichen und allenfalls familiären Wohnbereich um und richtete dort auch meinen Schlafbereich ein. Aber nicht einfach irgendwo, denn ich wollte mich ab nun im Bett geborgen fühlen und Privatsphäre genießen. Der Schlafbereich sollte daher vom Sofa-Fernseh-Bereich, den auch meine Kinder nachmittags und abends gerne nutzten, möglichst getrennt sein. Ein vor dem Bett aufgestellter Kleiderkasten schuf als Raumteiler einen wunderbar geschützten Raum ums Bett.

Ich habe diese einladende „Schlafhöhle“ viele Jahre mit Freude und Wohlgefühl bewohnt, und auch mein Lebensgefährte, der diese gemütliche Raumaufteilung zu Beginn unserer Beziehung erlebt hat, schwärmt noch heute davon.

Die Rückwand, die vom restlichen Raum aus zu sehen war, ließ ich von einer befreundeten Künstlerin mit Naturpigmentfarben in einem angenehm warmen Rotorange bemalen (aus einem früheren Blog weißt du es vielleicht schon: Ich liebe diese warme, anregende Farbe). So entstand in meinem Wohnraum auch gleich eine künstlerische Atmosphäre.

Kleine Maßnahme, große Wirkung

Das Beste an der räumlichen Veränderung war: Mein Nachtschlaf war von dem Moment an tief und erholsam. Meine Verspannungen lösten sich nach und nach auf. Angestoßen durch die intensivere Beschäftigung mit Wohn- und Lebensthemen wurde mir auch zunehmend bewusst, dass ich manche innere Einstellung und Verhaltensweise ändern wollte: nicht mehr zu jedem Auftrag Ja sagen, mich gegen übermäßige Erwartungen (auch eigene) abgrenzen usw.

Die Erfahrung, wie stark moderate räumliche Veränderungen das gesamte Lebensgefühl erheblich verbessern können, war ein ganz wichtiger Puzzlestein für meine weitere Entwicklung hin zur Lebensraumberaterin. 

Leben im Raum, das ist es, was unsere Identität als Menschen ganz wesentlich definiert. Und dieses Leben können wir mit Kraft, Energie, Ruhe und Kreativität erfüllen, wenn wir den Raum um uns herum unterstützend gestalten – entsprechend unserer Persönlichkeit, unserem Ausdruckswillen und unseren Bedürfnissen.
Heute bin ich selbst Dipl. Wohnberaterin und Lebensberaterin – und gebe damit u. a. auch weiter, was ich damals als so befreiend und persönlichkeitserweiternd erfahren habe.

Herzlich, Angela Stefan 

 

Farben passend einsetzen

Gibt es richtige und falsche Farben?

(Teil 1) 

Wie Wandfarben im Wohnraum wirken

Kürzlich hat mich jemand gefragt, welche Farbe er für die Wände im Wohnzimmer verwenden sollte. Und gleich hinzugefügt: „Rot aber nicht. Das macht ja so aggressiv.“ Eine andere Kundin war mit den erst vor wenigen Jahren weiß gestrichenen Außenwänden ihres Einfamilienhauses unzufrieden, weil das „total langweilig ausschaut“. Ist das so?

Die meisten Menschen gehen davon aus, dass jede Farbe eine festgeschriebene Wirkung hat und dass es „die richtige Farbe“ für jedes Einsatzgebiet gibt. Oft kommt es dabei zu Missverständnissen aufgrund von Verallgemeinerungen.

In Wirklichkeit ist es nämlich weit vielschichtiger. Wie eine Farbe auf uns wirkt, hängt von so vielen Faktoren ab: rein physikalisch von der Textur und Dichte des verwendeten Farbmaterials, der Echtheit oder chemischen Zusammensetzung der Pigmente, der Kombination mit anderen Farben, von der Tageszeit, den Witterungsverhältnissen, der Beleuchtung im Raum, der Raumgröße bzw. seinen Proportionen …

Biologisch gesehen nehmen wir Farben (und Licht) nicht nur optisch auf, sondern erstaunlicherweise sogar direkt über Hautsensoren!
Die Farbwirkung hängt natürlich auch von der Leistungsfähigkeit der Augen ab – und damit vom Alter: Mit zunehmendem Alter sehen Menschen Farben immer dunkler. Eine rote oder braune Wand kann einem alten Menschen also schon (fast) schwarz und damit düster oder sogar bedrohlich erscheinen. Wenn man bedenkt, dass einerseits die Sehfähigkeit sowieso meist nachlässt und andererseits alte Menschen auch manchmal von (Alters-)Depression betroffen sind, erscheint es also nicht sinnvoll, dunklere oder allzu satte Farben in deren Wohnumgebung einzusetzen.

Diesen Zusammenhang versuche ich gerade jüngeren Menschen bewusst zu machen, denn: Oft richten die inzwischen erwachsenen Kinder oder Enkel eine altersgerechte, meist kleinere Wohnung für Mama/Papa oder Oma/Opa ein. Und die soll ihnen ja Freude machen und den veränderten Bedürfnissen gerecht werden.

Unterschiedliche Wirkung von Farben

Da sind wir schon beim nächsten Punkt: Sehr wichtig für die Wahrnehmung, Verarbeitung und Bewertung von Farben sind psychologische Faktoren – Persönlichkeit, seelische Verfassung und auch, welche Ziele man in seiner Wohn- und Arbeitsumgebung verfolgt.

Farben wirken auf jeden Menschen unterschiedlich, Rot ist dafür ein gutes Beispiel, denn es polarisiert besonders stark. Eine meiner Freundinnen würde niemals auch nur einen Rottupfer auf ihren Accessoires oder sogar als Blumenfarbe im Garten zulassen, sie empfindet Rot als schreiend, aufdringlich, ablenkend, gewalttätig, aggressionsfördernd, gefährlich … Eine andere, gemeinsame Freundin wiederum liebt diese in ihren Augen energetisierende, dynamische, aufmerksamkeitfördernde Farbe. Ich selbst habe zu Hause von einer chilenischen Künstlerin und Restauratorin eine einzelne Wand im Wohnzimmer in einem leicht changierenden Orangerot mit Naturpigmenten nach dem Vorbild mexikanischer Hausmauern bemalen lassen. Vom Sofa aus sehe ich schräg auf diese für mich wunderschöne Wand und empfinde immer wieder das Gefühl von Geborgenheit, Wärme, Freundlichkeit, Aufgehobensein und auch Kraft.

Man kann das Spiel für alle Farben spielen, jeder Mensch wird sie anders „sehen und spüren“. Jeder Farbe werden also sehr divergierende Attribute zugeschrieben. Im Internet findest Du zahlreiche Farbtabellen, einen Überblick bietet z. B. die Website eines Farbenherstellers: www.keim.com/de-at/farbpsychologie/. Oder das ausführliche Buch von Eva Heller: Wie Farben wirken.

Natürlich tragen auch Moden und der Zeitgeist dazu bei, wie wir Farben einschätzen, ob wir sie akzeptieren und ästhetisch finden. Orange und Braun war zum Beispiel eine sehr beliebte Farbkombination bei Fashion, Möbeln, Wanddeko in den 1970ern, wie sich die „Boomer“-Kinder aus meiner Generation noch erinnern werden. Später war die Kombi total verpönt, doch in den letzten Jahren sieht man sie immer wieder im Zuge der Retrowelle und weil heute wieder viel mehr nebeneinander „erlaubt“ ist.

Kalte und warme Farben im Wohnraum

Wenn Du deine Räume gestaltest, kannst Du dich ruhig trauen, an den Wänden Farben einzusetzen. Was grundsätzlich gilt: Es gibt kalte und warme Farben, dadurch kann eine Grundfarbe in ihren speziellen Nuancen sehr unterschiedliche Auswirkungen haben. Warme Farben wirken auf der psychologischen Ebene (grob vereinfacht) eher beruhigend, verströmen Sicherheit und Geborgenheit, einige finden sie zu erdig, dämpfend. Kalte Farben wirken dagegen eher klar, sie vermitteln Kompetenz, Frische und Dynamik, manche empfinden sie als unruhig bzw. beunruhigend, hart und aggressiv.

Weiß beim Wohnen

Ein eigenes Thema ist die Farbe Weiß, sie ermöglicht natürlich alle denkbaren Kombinationen, vermittelt Frieden, Offenheit, Freiheit, Entfaltungsmöglichkeit. In unserem Kulturkreis wird Weiß seit eh und je auch mit dem Göttlichen assoziiert und galt im Volksglauben als Farbe der Abwehr gegen Krankheiten und bösen Zauber. Übrigens unterscheidet sich hier die europäische Tradition stark von der ostasiatischen. Während also seit dem frühen Christentum Weiß die Farbe des Göttlichen war (allerdings wurde im germanischen Raum bis zur Neuzeit Rot als festliche liturgische Farbe eingesetzt), steht in China Weiß für Trauer und Tod. Möglich, dass das mit ein Grund ist, warum die ursprünglich im asiatischen Raum beheimatete Wohnlehre Feng Shui Weiß im Wohnraum eher skeptisch beäugt: Zu viel Weiß vermittle Unklarheit und erschwere Entscheidungen. Solche Zuschreibungen sollten möglichst nicht verallgemeinert werden.

Wie Weiß oder jede andere Wand- und Einrichtungsfarbe auf die eigene Gefühlslandschaft wirkt, erlebt jede Person anders und ist auch abhängig von Situation und Einsatzort und -gebiet. Erfahrung, Ausprobieren, Einfühlen und letztlich die gemeinsame Abstimmung über die Farbwahl in der Familie/Partnerschaft sind der Königsweg, bei dem man sich natürlich immer durch Experten unterstützen lassen kann. Was wir zusammenfassend erkennen können: Beim Einsatz von Farben geht es nicht um „richtig oder falsch“, sondern um „passende“ Lösungen – passend für die das jeweilige Einsatzgebiet UND das persönliche (seelisch/mentale oder zielorientierte) Bedürfnis.

Wissenschaftlich bewiesen: psychologische Farbwirkung

Dass Farben uns tatsächlich intensiv beeinflussen, wurde übrigens inzwischen wissenschaftlich bestätigt, etwa durch Studien des Professors für Didaktik der Visuellen Kommunikation von der Universität Wuppertal Axel Buether (axelbuether.de).
Er schreibt über sein Forschungslabor: „Wir erforschen die vielfältigen Wirkungen der Umweltfaktoren Farbe und Licht auf das menschliche Erleben und Verhalten, auf Gesundheit und Wohlbefinden, Gefühle, Denken und Entscheidungen in konkreten Alltagssituationen.“
Und er kommt zu dem informierten Ergebnis: „Begleitet von den richtigen Farben, fühlt man sich wohler und lebt gesünder, ist wacher und aufmerksamer, denkt und lernt konzentrierter und kommt schneller zur Ruhe.“ 

Heute hast Du etwas über Farben und ihre Wirkung im Allgemeinen erfahren – manches wusstest Du vielleicht schon ... Im nächsten Blogbeitrag erzähle ich Dir von einem konkreten und sehr erstaunlichen Beispiel dafür, wie erfolgreich wir Farben für bestimmte psychologische Ziele im Wohnen einsetzen können. 

Herzlich, Deine Angela Lahrmann

Farben passend einsetzen

Wie in Teil 1 schon angedeutet, können wir Farben sehr gezielt einsetzen, um bestimmte psychologische Wirkungen zu erzielen.

(Teil 2)

Ein starkes Beispiel für die positive Wirkung von Farben erlebte ich schon vor vielen Jahren, als das Thema noch misstrauisch beäugt wurde und sich die wenigsten überhaupt merkbare seelische Auswirkungen von der Farbwahl im Wohnen erwarteten.

Wie Kinder von gezielt eingesetzten Farben profitierten

Bekannte hatten zwei Kinder im Volksschulalter, das eine neigte zu aggressiven Ausbrüchen, das andere hatte bereits depressive Verstimmungen. Die Eltern waren schon verzweifelt, sie wussten nicht, wie sie das eine Kind beruhigen, ihm mehr Ausgeglichenheit ermöglichen könnten, dem anderen Kind dagegen wieder mehr Dynamik und Antrieb. Nach einigen Versuchen und weil sie den Kindern lieber keine Medikamente geben wollten, entschieden sie sich letztlich für eine psychologische Beraterin. Und die hatte (neben dem therapeutischen Gespräch) eine damals noch außergewöhnliche Idee: die Kinderzimmerwände für eine bestimmte Zeit in unterschiedlichen Farben zu streichen – Rot für das antriebslose Kind, Dunkelblau für das unruhige.

Die Hypothesen dahinter: Die Kinder halten sich sehr viel in ihren Zimmern auf, nehmen über lange Zeit unbewusst die räumliche Umgebung wahr und werden von ihr beeinflusst – und: Farben haben spürbare Auswirkungen auf die seelische Verfassung. Die Kinder entwickelten sich tatsächlich positiv, das eine wurde ruhiger und kooperationsbereiter, das andere begann mehr aus sich herauszugehen und Vertrauen aufzubauen.

Für mich ist das nach allem, was ich heute über die Wirkung von Räumen weiß und weitergeben kann, ein gutes Beispiel dafür, dass wir unseren Lebensraum sehr bewusst nutzen können, um bestimmte Ziele im Leben und mehr Wohlbefinden zu erreichen.

Tradition und Persönlichkeit im Wohnen

Ein kurzer historischer Einschub: In früheren Zeiten – im Mittelalter und Barock – gab es in Europa noch ein tradiertes Wissen über Farb- und Raumwirkungen beim Hausbau. Erst später wurden die intuitiv gewonnen und mündlich überlieferten Erfahrungen in der Architektur marginalisiert.

Spätestens seit den 2010er-Jahren hat sich die Erkenntnis, dass Farben uns massiv beeinflussen, schon wieder weitgehend durchgesetzt, aber aufgrund mangelnder Tradition und Übung trauen sich viele noch nicht zu, ihren eigenen, unterstützenden Farbstil zu entdecken und zu behaupten. Lieber verlässt man sich auf „angesagte“ Wohnmoden und jährlich wechselnde Farbvorschläge in Magazinen. Das ist schade, denn wer einmal seinen persönlichen Farb- und Wohnstil gefunden hat, bekommt zu Hause (bzw. im Homeoffice) sozusagen gratis und ständig Unterstützung – je nach dem, was gewünscht oder benötigt ist: Sicherheit, Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, Kreativität, Motivation, Dynamik …

Individuelle Wunschfarben finden

Welche Farben (für Wände bzw. auch Möbel) zu Dir, Deinem Charakter und Deinen Vorlieben und Zielen passen, kannst Du herausfinden, indem Du in nächster Zeit die Farben zu Hause, bei Freunden, im Büro, in Hotels oder Geschäften ganz bewusst auf sich wirken lassen.

Oder lass Dir in einem Möbelgeschäft oder Baumarkt eine Farbkarte mit Stoff- oder Wandfarbenmustern geben. Achtung dabei: Die gezeigten Farbmuster sind sehr klein und Du wirst die Farben weniger intensiv wahrnehmen, als sie dann auf einer großen Fläche tatsächlich wirken! Und: Möbel, Material und Beleuchtung wirken bei der Farbwahrnehmung natürlich auch herein.

Farbenspiel der Natur

Die größte Lehrmeisterin für Farben und ihre Wirkung ist und bleibt aber die Natur. Gehe in den Wald, streife durch Wiesen- und Ackerland und achte ganz bewusst auf die erstaunlichen und vielfältigen Farben- und Lichtspiele. Jeder Stein hat seine eigenen Grau-, Rosa- oder Gelbtöne, die Federn der Vögel changieren von matten bis zu hochglänzenden Nuancen aller Farben, die Schattierungen der Blätter von Bäumen oder der Blüten von Stauden leuchten zu jeder Jahreszeit in unzählbaren Varianten.

Welche Farben sprechen Dich besonders an – und was verbindest Du damit? Lass Dich beeindrucken von den Farbkombinationen, und nimm ein Gefühl dafür mit nach Hause. An welche Farben erinnerst Du dich immer wieder und mit Freude nach Deinen Ausflügen in die Natur? Achte auf Deinen ersten im Körper spürbaren Impuls – Entspannung? Verkrampfung? Wärme/Kälte? etc. Und was löst er emotional aus – Resonanz? Hinwendung? Oder Ablehnung? Verunsicherung? Freiheit, Lust, Gemütlichkeit, Unruhe?

Die seelische Wirkung der Farben spüren

Mit ein wenig Übung oder, wenn Du Dir unsicher sind, mit professioneller Begleitung gelingt es Dir sicher, Deine ureigensten, persönlichen Reaktionen zu entdecken, die Farben zu „spüren“.

Daraus lassen sich innere Bedürfnisse ablesen – z. B. nach Ausgeglichenheit und Geborgenheit oder nach Kreativität und Freiheit etc. Du entwickelst nach und nach ein Gefühl für „Deine“ Farben – das sind jene, die Dich in Deinem persönlichen Lebensausdruck unterstützen. Schon der Architekt Le Corbusier sagte: „Farbe gehört zu unserem Sein. Vielleicht hat jeder von uns seine eigene.“

Um Dein Ziel zu erreichen, kannst Du entsprechend wirkende Farben vermehrt einsetzen, um in Deinem Lebensraum jeden Tag zielführende Reize zu erhalten.

Aber bitte möglichst keine übermäßigen Farborgien! Wenn Du alle Wände in einer Farbe streichst und dazu noch Möbel und Accessoires in dieser Farbe kaufst, wirst Du bestimmt sehr bald erdrückt werden, und der positive Effekt kann sich verlieren. Es genügt und ist auch deutlich geldsparender und umweltschonender, wenn Du das eine oder andere strategisch platzierte Zubehör wie Polsterbezüge (ganz leicht selbst zu nähen), Vorhänge, farblich ausgewählte Poster oder eine einzelne farbige Wand einsetzt.

Versuche es. Ich freue mich darauf, von Deinen Erfahrungen zu lesen.

Herzlich, deine Angela Stefan

Ein guter Platz für den Schreibtisch

Wenn das Arbeiten im Homeoffice Probleme macht, stimmt meist etwas mit der Einrichtung und Umgebung des Heimarbeitsplatzes nicht! 

Ein Guter Platz

Heute möchte ich Dir etwas erzählen, was mich richtig gefreut hat.
Eine Bekannte, ich darf sie hier Caroline nennen, plagte sich vor einigen Jahren mit ihrer Arbeit im Homeoffice – als freie Mitarbeiterin im Kreativbereich arbeitete sie schon vor der Covid-Pandemie meistens zu Hause. Sehr bald fühlte sie sich bei der Arbeit aber überhaupt nicht wohl – ständig abgelenkt und nervös, hatte sie immer öfter Kopfschmerzen und Verspannungen. Ihre Kinder im Volksschul- bzw. Gymnasiumsalter machten konzentriertes Arbeiten am Nachmittag auch nicht leichter: Sie trudelten oft vorbei, fragten nach Zwischenmahlzeiten oder um Hilfe bei den Hausübungen. Noch schlimmer war es, wenn aus den Kinderzimmern Streitereien zu hören waren oder die Kleinere „um Hilfe“ rief. Klar, die Jüngere provozierte oft, aber der Ältere teilte dann ohne Hemmung aus. Das Verhalten der Kinder empfand sie als rücksichtslos. Wenn sie aber mit ihnen schimpfte, hatte sie danach oft Gewissensbisse und fühlte sich als schlechte Mutter, die zu wenig Verständnis und Zeit für ihre Kinder hat. Besonders während beruflicher Telefonate waren Caroline solche Störungen richtig unangenehm und peinlich. Sie hatte Angst, dass wildes Kindergeschrei im Hintergrund während der Arbeitszeit sie bei ihren Gesprächspartnern als wenig kompetent oder zuverlässig erscheinen lassen könnte. Dabei hatte sie so große Erwartungen an die Selbständigkeit und das frei einteilbare Arbeiten zu Hause, sie wollte schöne Aufgaben für coole Medien übernehmen. Doch hier mitten im häuslichen Trubel fühlte sie sich nur mehr genervt und überfordert.

Wenn man selbst in einer belastenden Situation steckt, hat man meist nicht den Überblick und die Distanz zu sich und seinem Problem, die man benötigen würde, um Ursachen und Möglichkeiten zur Verbesserung zu erkennen, das ist ganz normal. Genau deshalb hilft eine zielorientierte kompetente Beratung durch Expert:innen, die nicht persönlich in das Thema verstrickt sind. Daher bot ich Caroline eine Lebensraumberatung an.

Ich besuchte sie an einem ganz normalen Nachmittag in ihrer Wohnung, während die Kinder da waren und sie einen Auftrag anstehen hatte. Sie erzählte: „Ich schaffe es nicht, mich auf eine Aufgabe zu fokussieren oder endlich wieder mal in einen kreativen Flow zu kommen, die Fantasie fließen zu lassen. Darum brauche ich oft furchtbar lang für die Erledigung von Tasks und gebe meine Arbeit oft zu spät ab. Jetzt beschweren sich schon bestimmte Geschäftspartner.“ Ihre Sorge, Aufträge zu verlieren, war damit womöglich nicht ganz unbegründet.

Ursachen erkennen

Für mich war ergab sich rasch ein klares Bild der Problemlage: Carolines Computer und die Arbeitsunterlagen besetzten die Hälfte des Esstischs, und der lag relativ zentral in der Wohnung. Sie setzte sich hier vielen konkurrierenden Einflüssen und Anforderungen gleichzeitig aus: Arbeit, Kinderbetreuung, Kochen, Essen, Kommunikation – wie in einem Durchhaus strudelte das gesamte Geschehen daran vorbei, rundherum, alles schien dort drüber und drunter zu gehen, gleichzeitig zu passieren. Irgendwie passte das zwar zu Carolines aufgeweckter, lebendiger Art und zum kreativen Arbeiten, das auch sozialen Austausch braucht. Aber hier war von allem einfach viel zu viel: zu viele Funktionen an einem Ort, zu viel Bewegung, zu viele Störungen. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen: für ihre berufliche Tätigkeit, für ihre familiären Wünsche und Pflichten – und für ihr persönliches seelisches und körperliches Wohlbefinden, das schon zu leiden begonnen hatte.

Ein anderer, meist stark unterschätzter Faktor erhöhte ihren inneren Druck zusätzlich: Sie saß mit dem Rücken zur Tür. Studien belegen: In dieser Sitzposition gehen rund 30 % der Konzentration verloren, da sich der Mensch seinen archaischen Instinkten entsprechend unbewusst zu schützen versucht und daher stets in einem Zustand von Alarmbereitschaft ist. Für mich war es daher nicht verwunderlich, dass sie sich dauernd gestört, genervt und erschöpft fühlte und zu wenig Energie für ihre eigentlichen Aufgaben hatte. Ich erzählte ihr davon und bat sie, den gesamten Raum und speziell ihren Arbeitsplatz mit dem für sie neuen Wissen einmal „von außen“ anzuschauen. Es war ein Aha-Erlebnis für sie, die massiv überfordernden Einflüsse zu erkennen, denen sie sich ununterbrochen aussetzte.

Es beruhigte sie zu erfahren: Wir können unseren Lebensraum so nützen, dass er uns Kraft gibt, ausgeglichen und zufrieden macht. Das wollte sie zwar sehr gern erreichen, meinte aber resignierend: „Ich habe doch gar keinen anderen Platz in dieser Wohnung, wo ich arbeiten kann. Einen schnellen Rat„schlag“ zu geben wäre jetzt kontraproduktiv gewesen. Denn wenn jemand nicht selbstverantwortlich zu einer Veränderung steht, wird sie nicht lange halten oder bald wieder unzufrieden machen. 

In der Zeit bis zum nächsten Termin versuchte Caroline, ihre Empfindungen an ihrem Arbeitsplatz im Lichte des neuen Wissens immer wieder bewusst wahrzunehmen und danach aufmerksam durch die Wohnung zu gehen und einzufühlen, wo sie sich beim Arbeiten wohler fühlen könnte. Reines Brainstorming also, ganz ohne Bewertungen vorzunehmen.

Individuelle Lösungen finden 

Bei unserem zweiten Treffen hatte sie schon ein sehr ausgeprägtes Gefühl dafür, was sie sich in der letzten Zeit alles zugemutet hatte. Sie war inzwischen überzeugt, dass sie sich das Arbeits- und Familienleben erleichtern und sich selbst mit mehr Wertschätzung begegnen wollte. und sie begann schon ein paar Ideen zu sammeln, wo sie den Arbeitsplatz künftig platzieren könnte. Beim letzten Mal hatte sie noch gedacht, es gäbe keine Möglichkeiten zur Veränderung, doch durch die Beschäftigung mit ihren Bedürfnissen weitete sich ihre Perspektive, und plötzlich schien so vieles möglich, verlockend und machbar. Ich regte sie dazu an, noch weitere Möglichkeiten zu finden, vernünftige und auch ganz verrückte. Anschließend ging es darum, jede Idee darauf zu prüfen, ob sie für Carolines berufliche Tätigkeit, ihr familiäres Zusammenleben und ihr persönliches Wohlbefinden vorteilhaft sein würde.

Schließlich traf sie ihre Entscheidung, an welchem Platz und an welchem Tisch sie künftig arbeiten wollte – es wurde ein selten gebrauchter Klapptisch, den sie in einer ruhigeren Ecke platzierte. Sie konnte hier mit Blick auf die Tür und von hinten durch die Wand geschützt sitzen, sodass sie alles unter Kontrolle hatte, selbst aber außerhalb des „Durchzugs“ saß.

In einem dritten Treffen entwickelten wir gemeinsam mit den Kindern realistische und verlässliche Vereinbarungen, um ruhige Arbeitsphasen für Caroline zu gewährleisten.

Nach einiger Zeit erkundigte ich mich bei ihr und erfuhr, dass es ihr beim Arbeiten schon viel besser ging und wider Erwarten auch die Kinder nun besser akzeptierten, dass Mama eine Zeitlang ihre Ruhe zum Arbeiten brauchte. Irgendwie schien das ganze gemeinsame Leben etwas ruhiger zu werden, und Caroline wirkte am Telefon jetzt fröhlicher, lachte wieder öfter und jammerte weniger.

Nach einer längeren Pause trafen wir uns kürzlich wieder – und Caroline erzählte, dass es ihr inzwischen immer besser gegangen war. Sie konnte sich an ihrem neuen Platz viel besser konzentrieren, hatte wieder mehr Freude an ihrer Arbeit und erhielt Anerkennung dafür. Sie hatte auch begonnen, selbst damit zu experimentieren, welche Veränderung im Wohnraum welche Wirkung im Leben haben würde. Das macht ihr viel Spaß, und sie erlebt sich jetzt viel selbstwirksamer und zuversichtlicher. Sie hat es so ausgedrückt: „Ich fühl mich jetzt in schwierigen Situationen rascher nicht mehr so ausgeliefert. Jetzt weiß ich, dass ich irgendwann etwas unternehmen werde, um es mir leichter zu machen, das konnte ich früher nicht so, das gibt mir jetzt mehr Sicherheit.“

Wie schön, dass mit kleinen Intervention so viel nachhaltiges und kreatives Bewusstsein dafür entstanden ist, wie wir unseren Lebensraum bewusst nützen können, um Kraft und Zufriedenheit im Leben zu erreichen.

Hast Du auch schon mal eine Erfahrung dieser Art gemacht? Ich freue mich auf Deine Geschichte.

Herzlich, Angela Stefan

durchdietuer

Durch die Türe – aus dem Sinn

Wie das Gedächtnis von unseren Wohnräumen veräppelt wird – der Gedächtniskiller „Türschwelle“

Kennst Du das? Du gehst in ein anderes Zimmer, um dort etwas zu holen oder zu erledigen – und wenn Du dort bist, weißt Du nicht mehr, was Du dort eigentlich wolltest. Mir geht es immer wieder mal so, und das, seit ich denken kann. Auch meine Großmutter erlebte das öfters, und sie befürchtete sogar, das könnten erste Anzeichen von Demenz sein (dabei war sie dann noch mit hundert völlig klar im Kopf). Ich versuchte sie immer mit dem Hinweis auf meine eigenen, noch weit jugendlicheren Vergesslichkeits-Erfahrungen zu beruhigen.

Doch was sind nun wirklich die Ursachen dieses merkwürdigen Phänomens, dass man, kaum hat man die Schwelle zu einem anderen Raum überschritten, vergessen, zu welchem Zweck man hineingegangen ist?

Ein wissenschaftliches Team von der Indianapolis University of Notre Dame um den Kognitions- und Gedächtnisforscher Gabriel Radvansky, der sich diese ganz spezifischen Erinnerungsausfälle auch nicht erklären konnte, wollte der Frage mithilfe wissenschaftlich fundierter Experimente auf den Grund gehen und entwarf folgendes Szenario: Die rund 60 Versuchspersonen packten farbige Gegenstände von einem Tisch in eine Box und trugen sie zu einem anderen Tisch – je nach Versuchssetting standen letztere entweder im selben Raum oder in einem anderen, sodass die Teilnehmer durch eine Türe bzw. über eine Schwelle gehen mussten. Später sollten sie sich an möglichst viele der herumgetragenen Gegenstände erinnern. Es zeigte sich, dass jene Dinge, die in einen anderen Raum getragen wurden, deutlich schlechter erinnert wurden. Dieselben Ergebnisse zeigten sich in einer virtuellen Versuchsanordnung am Computer. Das Durchqueren einer Türe kann also offenbar dem Gehirn den Impuls zum Vergessen geben, die Wissenschaft nennt das einen „räumlichen Aktualisierungseffekt“. 

Nun könnte man einwenden, wir leben doch seit vielen Generationen in Umgebungen mit mehreren Räumen, die durch Türen verbunden sind, das müsste unser Gehirn doch inzwischen gecheckt haben?

Doch unser Gehirn ist nun einmal so organisiert, dass jeder einzelne Raum ein „neues Ereignis“ ist. Die zu einem Zimmer gehörenden Gedanken werden beim Verlassen bzw. Betreten eines neuen Raums weggeordnet, sozusagen zu den Akten gelegt.

Außerdem: Durch eine Türe zu treten hat immer einen Szenenwechsel zur Folge, im anderen Raum sieht es anders aus, er ist anders eingerichtet, hat eine ganz andere Funktion in unserem Leben (z. B. Küche, Schlafzimmer, Bad, Büro …).

Einerseits ist das Betreten eines anderen Raumes mit einer gewissen Unsicherheit verbunden, auch wenn dies in unserer heutigen sicheren Wohnumgebung sehr weit unterhalb unserer bewussten Wahrnehmungsgrenze liegt. Andererseits haben wir bestimmte Erwartungen, wenn wir in ein Zimmer gehen, zum Beispiel an seine Funktion oder seine Gestaltung.

Manchmal wird diese Erwartung nicht erfüllt, etwa, wenn wir beim Betreten sehen, dass ein Detail anders aussieht oder ein Accessoire, ein Sessel oder der Bettüberwurf woanders steht bzw. liegt als beim letzten Mal, als wir hier waren. Oder weil es hier unaufgeräumt ist und wir uns schlagartig daran erinnern, dass wir diese Aufgabe hier auch noch zu erledigen haben. Oder weil uns eine Erinnerung überfällt an eine Begebenheit, die irgendwann hier stattgefunden hat, selbst wenn sie noch so unbedeutend und alltäglich erscheint wie das lästige Socken-Aufhängen in der Vorwoche (und dass es uns morgen wieder blüht) oder ein kurzes Gespräch am selben Morgen über das geplante Abendessen und wer es kochen wird.

Was auch immer die un-, halb- oder vollbewussten Gedankenblitze sein mögen – mit dem Über-die-Schwelle-Treten müssen wir uns jedes Mal neu orientieren. Meist nur geringfügig … aber das genügt in manchen Fällen tatsächlich, dass wir uns plötzlich nicht mehr an den Plan erinnern, der uns hierherkommen ließ. Für das Erinnern sind nämlich oft nicht inhaltliche, sondern auch räumliche Gegebenheiten verantwortlich. Und die Türe oder Schwelle ist die „Ereignisgrenze“, an der Altes aussortiert wird, um Platz für Neues zu machen. Ungefähr wie bei einem Computer werden bildlich gesprochen temporäre Dateien gelöscht: Gedanken, die gerade noch da waren, werden durch die neue Raumumgebung verdrängt.

Faszinierend finde ich dabei wieder einmal, wie stark das Erfahren von Raum mit unserem Alltagsleben verwoben ist.

Im Alltag passiert mir das immer wieder, wenn ich nach dem Heimkommen den Schlüsselbund, statt ihn auf der Ablage im Vorzimmer zu lassen, in ein anderes Zimmer mitnehme und dort irgendwo liegen lasse. Das kann dann schon mal die ganze Familie beschäftigen. Detto: Handy – findet sich das bei Ihnen auch gern an den unmöglichsten Orten? Leider steckt es ja mitunter unbemerkt in der hinteren Hosentasche, wenn man aufs WC geht … Ob danach Reis, Wärme oder gar nix hilft, ist noch umstritten, unser Gehirn hat uns zuvor jedenfalls nicht geholfen.

Die Erinnerung an das vorher Gedachte kann übrigens oft nicht einmal mehr zurückgeholt werden, wenn man ins vorige Zimmer zurückkehrt, um sich zu erinnern.

Was laut den Forschern gegen diesen „raumbedingten“ Gedächtnisverlust aber schon helfen kann, sind kleine Erinnerungsstützen, die man von einem zum anderen Zimmer mitnehmen könnte: Wenn ich also die Suppenlöffel in der Küche vergessen habe, könnte ich z. B. auf dem Weg in die Küche meine Hand wie einen Löffel geöffnet halten. Oder wenn ich wie gestern einige Artikel aus dem Arbeitszimmer holen wollte, um sie im Garten zu lesen und die Erkenntnisse daraus für diesen Blog zusammenzufassen, hätte ich irgendeinen Zettel dorthin mitnehmen können, um mir zu merken, was ich holen wollte. Stattdessen wurde ich durch die „neue Umgebung“, wohl vor allem durch den Computer, an andere Aufgaben erinnert und habe den Rest des Nachmittags Überweisungen getätigt und Ablage gemacht. Auch gut und wichtig, und – Glück gehabt –es war auch heute wieder sonnig genug für ein Lesestündchen im Garten. 

Helfen Dir solche kleinen Hilfsmittel, um Dein Gehirn zu überlisten? Und welche funktionieren am besten? Schreibe mir, ich bin gespannt auf Deine Erfahrungen, die ich nach Wunsch gerne hier mit anderen am zufriedenen Wohnen und Leben interessierten Leser:innen teile.

Deine Angela Stefan 

 

Quellen:
Gabriel Radvansky von der University of Notre Dame, et al.: The Quarterly Journal of Experimental Psychology, DOI: 10.1080/17470218.2011.571267.
www.wissenschaft.de/erde-umwelt/was-wollte-ich-hier/

 

buchtipp

Buchtipp: Wohn Sein

Ein Buch übers Wohnen von Mag. Helga Gumplmaier und Dipl.-Ing. Helmuth Seidl

Edition Va Bene, 2014, € 25,–

Die Soziologin/Lebensberaterin und der Architekt/Gestaltpädagoge haben gemeinsam ein, wie ich finde, unverzichtbares und umfassendes Compendium über die erstaunlichen Einflüsse der Wohnumgebung auf unser Lebensgefühl geschrieben. Sie haben das Konzept des Novagramms (neun Felder) als eine Art Raum-„Aufstellung“ der Wohnumgebung (in Anlehnung an die Familien-Aufstellung) geschaffen.

Ihr Wissen haben sie bis 2016 in ihren Lehrgängen weitergegeben sowie in der systemischen Beratungsarbeit mit Klienten mit großen Erfolgen umgesetzt. 

Leser:innen erfahren viele Details über die mächtige Wirkung unserer Lebensräume, von den historischen Wurzeln des Wohnens und philosophischen Betrachtungsweisen über verschiedene Grundrissformen bis zum Einfluss, den die Aufteilung der Wohnräume auf unsere Werte und Lebensthemen hat – und umgekehrt.

Fazit: Das Buch bietet unerwartete Erkenntnisse und fördert konstruktives Nachdenken über das eigene Wohnen. Wer bis dahin Wohnen für selbstverständlich und bedeutungslos für unser Wohlbefinden gehalten hat, wird staunend eine neue Welt betreten. Das Buch ist auch über mich beziehbar. Schreibe mir unter: beratung@novagramm.at

wohnungsplan

Unübersichtlicher Wohnungsplan

Kürzlich habe ich die Immobilienmesse besucht, um up to date zu sein, wie größere Bauträger aktuell bauen. Dabei ist mir etwas besonders ins Auge gesprungen: Erstaunlich viele Grundrisse sind auffällig unregelmäßig, verwinkelt, haben Ecken in alle Richtungen und wirken ziemlich unübersichtlich.

Als ich einen Messestand-Berater zu den Gründen befragte, antwortete er, etwas überrascht, aber schlagfertig: „Eine Wohnung muss nicht immer rechteckig sein, das ist doch langweilig, wir wollen unseren Kunden kreative Wohnungen bieten.“ Nun ja, ich selbst nehme ehrlich gesagt eher an, dass Bauträger jeden bebaubaren Zentimeter ausnützen, denn Grundstücke sind teuer und werden deshalb meist so eng wie möglich bebaut. Die hohen Ausgaben sollen herein- und ein schöner Gewinn dabei herauskommen. „Da geht es um jeden Cent pro Quadratzentimeter“, wie mir Vertreter der Baubranche immer wieder versichert haben.

Einige meiner Bekannten und Freund:innen, denen ich diese unregelmäßigen, verwinkelten Baupläne gezeigt habe, meinten: „Ach, da gewöhnt man sich doch sicher dran, das fällt einem doch bald gar nicht mehr auf.“ … Stimmt schon, bewusst nehmen wir das meiste schon nach kurzer Zeit nicht mehr wahr. Immerhin verbringen wir viele Stunden in der eigenen Wohnung, wir schlafen, kochen, essen, putzen und verbringen Freizeit in den eigenen vier Wänden, seit den Lockdowns arbeiten auch immer mehr von uns zu Hause. Sofern die Zustände nicht extrem störend wirken, sorgt der (scheinbare) Gewöhnungseffekt dafür, dass unser bewusstes Wahrnehmungs- und Aktivitätsfenster freigehalten wird für „Wichtiges“ und „Akutes“.

Damit ist die Störung allerdings keineswegs eliminiert – sie wirkt unterhalb der bewussten Wahrnehmungsgrenze weiter und beeinflusst unsere geistigen und emotionalen Vorgänge, auf Dauer kann sie sogar unser Wohlbefinden beeinträchtigen.

Einer der unkonventionellen Grundrisse, von denen ich oben erzählt habe, ragt wie ein Stern in drei Richtungen, wodurch sich mehrere schräge Wände ergeben, die zweite Etage dieser Maisonette ist wieder anders geschnitten, manche Räume weisen neben schrägen Außenwänden auch Einschnitte auf, sodass künftige Bewohner:innen allein schon mit der Möblierung ihre liebe Not haben werden.

Unabhängig von Gestaltungsfragen bedeutet ein sehr komplizierter Grundriss eine ständige Herausforderung für unsere Orientierung im Raum. Unbewusst müssen wir ununterbrochen kognitive Anpassungsleistungen erbringen, wie das im Fachjargon heißt, um uns räumlich zurechtzufinden. Denn unser Gehirn ist auf einfache, klare Raummuster „programmiert“: vorne, hinten, rechts, links, und das alles möglichst einfach angeordnet, dann kann das Gehirn, salopp gesagt, das Thema Orientierung getrost ad acta legen und sich mit ganzer Aufmerksamkeit all dem widmen, was uns im Tagesablauf beschäftigt und wichtig ist.

Ich habe in meiner eigenen Wohnung einen störenden Effekt dieser Art erlebt – einer der vielen Puzzlesteine, die mich immer wieder darin bestätigen, wie groß der Einfluss des Wohnens auf unsere Lebenszufriedenheit ist:

Unsere aktuelle Wohnung betritt man durch eine doppelte Flügeltüre. Um in den größeren Teil der Wohnung zu gelangen, muss man sich gleich nach der Innentür um 90 Grad nach rechts wenden. Tatsächlich jede Person, die zu Besuch kommt, ist später beim Verlassen völlig verwirrt, wendet sich auf der Suche nach dem den Ausgang in alle Richtungen und muss hinausgeleitet werden, nicht nur beim ersten Mal. Das zeigt mir: Orientierung im Raum ist nicht selbstverständlich und sollte vom Grundriss unterstützt werden.

Und noch etwas Merkwürdiges ist mir mit der Zeit aufgefallen: dass ich, obwohl ich mir öfters für den Vormittag eine Erledigung außer Haus vorgenommen hatte, „nicht und nicht aus der Wohnung“ hinauskam, sich meine Pläne verzögerten oder oft erst an einem anderen Tag realisiert wurden. Zuerst hielt ich das für einen lästigen Hang zur Prokrastination. Irgendwann fiel mir auf, dass die Doppeltüre (aus je zwei sehr schmalen Flügeln bestehend, wovon zwei immer geschlossen sind) nur einen engen Ausgangs„tunnel“ bildet und zudem in ein dunkles, kaltes Stiegenhaus führt. All das bewirkte anscheinend, dass der „mentale Aufwand“, die Wohnung zu verlassen, reichlich groß war – aber es spielte sich für längere Zeit unterhalb meiner Bewusstheitsgrenze ab. So hat ein „störendes“ Element in meinem Lebensraum meine Alltagsabläufe auf unerwünschte Weise mitbestimmt.

Ich bin froh, dass mir das, mit Unterstützung eines befreundeten Coaches, endlich bewusst geworden ist, so kann ich gegensteuern. Mein Ziel: meinen inneren Widerstand gegen das Verlassen der Wohnung auflösen, um im Alltag effizienter zu werden. Wie könnte das gelingen? Ein paar Ideen (auch verrückte) fielen mir schnell ein, nun musste ich noch überlegen, welche am besten realisierbar und zufriedenstellend ist …. Meine Lösung: breitere Ein-/Ausgangstürflügel und eine freundlichere Gangbeleuchtung, um „leichter aus der Wohnung zu kommen“.

Seitdem ich die Situation täglich bewusst wahrnehme und einen Plan zur Verbesserung habe, kommt mir vor, dass das Problem schon kleiner wird. Wenn ich mir jetzt etwas außer Haus vornehme, scheint sich meine unangenehme Gewohnheit, Erledigungen hinauszuzögern, langsam aufzulösen. Damit das auch langfristig so bleibt und meine Wohnumgebung mich in meinen alltäglichen Vorhaben unterstützt (statt bremst), werde ich meine geplante Lösung auf jeden Fall umsetzen.

Solche Gegebenheiten im Lebensraum scheinen manchen Menschen zu unerheblich zu sein, um Auswirkungen auf ihre Lebensweise zu haben. Doch tatsächlich machen wir alle ähnliche Erfahrungen, nur bleiben sie meist unerkannt, weil sie nicht ins Bewusstsein treten.

Von einer erstaunlichen, auch wissenschaftlich belegten Erfahrung aus dem täglichen Wohnen, die Du selbst sicher auch persönlich öfter machst, erzähle ich Dir in einem meiner nächsten Blogs: dem „Gedächtniskiller Schwelle“ … 

Mit wohnlichen Grüßen, deine Angela Stefan

drinnen

Buchtipp: Drinnen

Ein Buch von Emily Anthes
Harper Collins, 2021, € 20,–

Die US-Wissenschaftsjournalistin präsentiert zahlreiche Belege aus unterschiedlichsten Forschungsfeldern dafür, dass „Innenräume unser Leben auf weitreichende und manchmal überraschende Weise prägen“. Wusstest Du zum Beispiel, dass die zahllosen Mikroben in einem Haushalt exakt darüber Aufschluss geben können, ob Frau, Mann und /oder Hund/Katze darin wohnen? Oder wie ausschlaggebend räumliche Gegebenheiten für die Genesung von Patient:innen ist? Nicht nur eigene Krankenzimmer für jede(n), um gefährliche Keime fernzuhalten, sind essenziell, auch der freie Blick auf die Natur – Bäume, Himmel, Blumen – wirkt nachweislich heilend.
Um die Bewegung und Beweglichkeit von Kindern in Schulen und Bürger:innen in der Stadt zu fördern, entstand „aktives Design“: Statt des Aufzugs werden z. B. Treppenhäuser leicht zugänglich und auffällig bei Hauseingängen platziert und mit aufmunternder Musik beschallt – um zum gesundheitsfördernden Stiegensteigen zu motivieren. Viele Gesundheitsanreize wurden auch in Schulversuchen eingesetzt:

Turngeräte und weiche Bodenmatten in der Aula, Treppen näher am Eingang als den Lift, Obst und gesunde Speisen leichter erreichbar für Kinderarme platzieren etc.

Mit dem Hype ums Großraumbüro und die zunehmend verbreiteten Springerplätze in Firmen räumt Anthes endlich auf. Ständiger ablenkender Lärm, nicht individualisierbare Umweltbedingungen wie Temperatur, Luftzufuhr, Lichtverhältnisse, mangelnde Privatsphäre beim Telefonieren usw., verunsichernde Tischplatzierung im Großraum rauben den Mitarbeiter:innen extrem viel Energie, führen zu vermehrten Krankenständen durch physische und psychische Überbelastung – und reduzieren auch noch indirekt den Erfolg der Firma.

Die Autorin beschäftigt sich u. a. auch mit den räumlichen Haftbedingungen in Gefängnissen, mit der Optimierung von OP-Sälen, mit der Architektur hochwasserresistenter, weil schwimmender Hochhäuser … aber auch mit der ethischen Grenzziehung zwischen Forschungsmethoden zum Wohl von Mitarbeitern, Patienten, Kindern – und deren Überwachung.

Fazit: Für mich war’s ein absolut lesenswertes Eintauchen in die Welt der vielfältigen Wirkweisen von Raumgegebenheiten auf uns Menschen in allen nur erdenklichen Lebensbereichen. Manche Forschungsergebnisse kann man wohl als vorhersehbar einstufen, andere sind tatsächlich unerwartet und umso spannender.

studie

Wohn-Studie:

Wer wir sind, hängt davon ab, wo wir sind

Englischer Artikel: „Who we are depends on where we are“ in Stanford News, veröffentlicht in: Journal of Personality an Social Psychology
Quelle: news.stanford.edu/2020/06/11/who-we-are-depends-on-where-we-are/

Ich war begeistert – so eine schöne Bestätigung, wie wichtig es ist, sich mit dem Einfluss des Lebensraums auf unser Befinden auseinanderzusetzen (und gleich eine Bitte an Politik, Architekten, Bauträger …):

Eine Studie der Universität Stanford, USA, durchgeführt am Beginn der Corona-Zeit, hat ergeben, dass Menschen je nach den Örtlichkeiten, an denen sie sich viel aufhalten, offenbar ihre Persönlichkeit verändern.

Wenn sich Personen viel an „social places“ aufhalten, sind sie tendenziell offener, freundlicher, bewusster und weniger ängstlich, als wenn sie sich sehr viel zu Hause aufhalten. Unser Zuhause ist üblicherweise der Ort, an den wir uns nach unseren Tätigkeiten in der Außenwelt zurückziehen, wo wir entspannen, Routinen unterbrechen und neue Kraft tanken.

Während der Lockdowns haben die meisten Menschen fast die gesamte Zeit ausschließlich in ihren vier Wänden zugebracht – und dies hatte vielfach große Auswirkungen auf ihr Befinden, ihre Gefühle und sogar ihre Persönlichkeitsmerkmale.

Manche Teilnehmer gaben an, dass sie ihre Kreativität verloren, vermehrt schlechte Laune hätten und sich ängstlicher fühlten, unter anderem vielleicht deshalb, weil sie immer in der gleichen Umgebung waren und kaum anregende Reize erfuhren.

Die Studienergebnisse legen nahe, dass die Orte, die wir häufig aufsuchen, nicht nur unser Denken, unsere Gefühle und unser Verhalten beeinflussen, sondern mit der Zeit sogar unsere Persönlichkeit verändern können.

Fazit: Noch mal: Welch schwergewichtiges Argument für persönlichkeitsförderndes Wohnen!

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